Es war ein wunderschöner Samstagmorgen an diesem 07. Oktober 2017 am Postill Lake, als ich aus dem Fenster meiner kleinen Hütte schaute und den frisch gefallenen Schnee sah. Ich fühlte mich kurze Zeit wie ein kleines Kind, welches gerade den ersten Schnee des Jahres erblickte. Ich bin mir sicher, ihr kennt dieses Gefühl auch.
Wie auch immer. Nach dem Frühstück, es gab mal wieder Oats,(Haferflocken) zu einem Brei zubereitet mit frischen Pflaumen in einer Honig- Zimt- Mischung als Grundlage, packte ich dann leicht wehmütig, diesen wundervollen Flecken Erde verlassen zu müssen, meine Sachen und räumte sie in mein Auto. Die ausgeliehene Axt gab ich noch an der Rezeption ab und telefonierte im w-lan Bereich mit meiner Mum, um zu sagen das alles gut war und schon fuhr ich weiter zu meinem nächsten Ziel Edgewood.
„Wo zum Teufel liegt Edgewood und wen kennst du denn bitte da“? Ja das fragten mich selbst die Einheimischen Kanadier. Nun Edgewood liegt ungefähr 200km östlich von Kelowna, Richtung Rocky Mountains. Dazwischen kommt noch ein Gebirgszug, der sich Kootenays nennt. Wobei sich das Gebirge vom Arrow Lake, im Westen bis zum Kootenay National Park im Osten erstreckt. Edgewood ist eine von vielen kleineren Ortschaften, welche direkt am 230km langen Arrow Lake liegen. Von Kelowna aus ist die Ortschaft nur über eine Fähre zu erreichen. In Kanada ist das Straßennetz nicht so gut ausgebaut wie bei uns in Deutschland, deswegen dauern die 200km auch ungefähr 2,5h mit dem Auto. Wenn man Pech hat und die Fähre nicht rechtzeitig erreicht, dann kann sich die Fahrzeit auch auf 3h ausdehnen, denn die Fähre fährt bloß jede halbe Stunde.
Ersten Teil der Ausgangsfrage hätten wir somit geklärt. Nun wen kenne ich da…bis zu dem Zeitpunkt der Anreise, niemanden. Doch ich hatte natürlich vorher schon Kontakt zu der Person wo ich das Kanadische Thanksgiving Wochenende verbringen wollte. Die aufmerksamen Leser unter euch, bin mir sicher, dass ich nur aufmerksame Leser habe, werden sich sicher noch an Alexandra aus meinem letzten Beitrag erinnern. Wie ihr ja wisst traf ich sie auf der Fähre von Vancouver Island nach Vancouver und wir hatten uns damals super unterhalten. In diesen Gesprächen, erwähnte Alex auch u.a. ihre Mutter Jutta, welche sich nach der Einwanderung schließlich in Edgewood niederließ.
Alex berichtete mir, dass Jutta ein Bed & Breakfast betreibt und demzufolge gerne Gäste aufnimmt. Ich hatte damals schon gedacht, dass das vielleicht eine Option für meinen weiteren Reiseverlauf nach Kelowna wäre und so schrieb ich auch gleich Jutta über Facebook an und fragte sie, ob es möglich wäre das Thankgiving Wochenende bei ihr zu verbringen. Schließlich wollte ich ja auch einmal ein richtiges Nordamerikanisches Erntedankfest, wie es in Deutschland heißt miterleben.
Nach ein paar Tagen bekam ich dann auch eine Zusage von Jutta und sie freute sich, dass ich ihre Tochter auf der Fähre kennengelernt hatte. Ich war mal wieder von der Einfachheit hier im Land überwältigt und freute mich sehr über die Zusage.
Ich kam dann ca. gegen 14.00Uhr in Edgewood an und war gleich von der Abgeschiedenheit, sowie Jutta´s Lebensweise beeindruckt. Jutta ist 70 Jahre und bewirtschaftet ihr Anwesen ganz alleine, da ihr Mann, Dale 2013 nach kurzem Krebsleiden verstarb. Wie ich schon einmal erwähnte betreibt sie über ihre Tätigkeit als Schriftstellerin hinaus noch ein Bed & Breakfast, mit 2 Hütten im Wald, in denen dann die Gäste übernachten.
Des Weiteren nennt sie noch einen online Store ihr Eigen. In diesem bietet sie ihre selbstgemachten Fotografien an und lässt sie auf verschiedene Sachen, u.a. Shirts und Tassen drucken und verkauft sie dann. Als wäre das alles für eine Frau ihres Alters nicht schon Beschäftigung genug, muss sie natürlich auch noch den Haushalt schmeißen. Was in ihrem Fall gar nicht so einfach ist, ohne zentrale Wasser- und Wärmeversorgung. Als Heizung für das ganze Haus dient nämlich ein wood stove (Holzofen), welcher natürlich rund um die Uhr mit Holz versorgt werden möchte, zumindest im Winter. Dieses Holz stapelt sich auch nicht von alleine unter das Holzdach. Bei dieser Sache erhält sie wenigsten Unterstützung. Ein Geschäftspartner ihres verstorbenen Mannes hilft ihr jedes Jahr mit dem Holz sägen und aus dem Wald zu ihrem Haus bringen. Oder es kommt mal ein freundlicher Reißender wie ich vorbei und hilft ihr beim spalten/ haken der großen Klötze. Denn das ist eine meiner Hauptaufgaben während meines Aufenthaltes hier. Die Frischwasserversorgung wird über eine Leitung zu einem nahegelegenen Bach sichergestellt. Das einzig technische in ihrem Haushalt ist der Warmwasserheizer und die Waschmachine. Der Herd zum kochen wird natürlich mit Propangas betrieben.
Ihr seht also, das Leben in der kanadischen Einöde ist nicht einfach und man muss sich zu helfen wissen. Was ich aber eigentlich nicht schlecht finde, denn das sind alles Kenntnisse die in unserer technologisch, sterilen Welt mit der Zeit verloren gehen.
Wo war ich stehen geblieben… Ach ja, ich kam also an diesem schönen Ort an und Jutta sagte mir im Vorhinein schon, dass sie eigentlich nicht viel übrig hatte für Thanksgiving. Aber, nett wie sie nun mal ist, hatte sie was für mich arrangiert. Es fand im Dorf in der Community Hall, was bei uns sozusagen der Gemeindesaal ist, ein traditionelles Thangsgiving Essen statt. Frank ein guter Freund von ihr ging zufällig zu jenem Event und da fragte sie ihn kurzer Hand, ob er mich denn nicht mitnehmen könne. Natürlich hatte Frank nichts dagegen und ich durfte in den Genuss meines ersten Thanksgiving kommen. Dazu ist noch zu sagen, dass die Kanadier diesen Feiertag nicht zusammen mit den US Amerikanern feiern. Bei denen ist dieses Fest erst Ende November. Dies ist nur ein Beispiel für unterschiedliche Ansichten zwischen beiden Ländern. Allgemein lassen sich die Kanadier nicht gerne mit ihrem ungeliebten südlichen Nachbarn vergleichen. Was zum einen an der äußerst fragwürdigen Politik der USA, als auch an der zum Teil primitiven und überheblichen Einstellung vieler Bürger der Vereinigten Staaten liegt. Kurz gesagt man mag sich nicht sonderlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass Kanada einfach besser Eishockey spielt, als die USA. Denn die besten Spieler der NHL(National Hockey League) kommen nun mal aus dem True North, dem wahren Norden. Was aber nur eine Interpretation meinerseits darstellt.
Zurück zum Essen. Anfangs war mir doch ein wenig Unwohl zumute, da ich den Altersschnitt schon beträchtlich nach unten korrigiert habe an diesem Tag. Es war gefühlt das ganze Dorf versammelt was fast nur aus alten Menschen bestand. Mein Unwohlsein legte sich jedoch schnell, denn die Menschen, speziell Frank, waren sehr an meiner Integration interessiert und wir hatten tolle Gespräche, das ein oder andere Glas Bier und ein wundervolles Essen. Auf dem Nachhauseweg schaute Frank nochmal bei seinem Baby, wie er selber sagte, der örtlichen freiwilligen Feuerwehr vorbei und zeigte mir stolz deren Löschanhänger, welcher bei einem Einsatz an einen privaten Pick-up angehängt werden muss, da es kein Zugfahrzeug dafür gibt. Ich habe bewusst Pick-up erwähnt, da es hier selten Fahrzeuge eines anderen Typs gibt. Es fährt einfach jeder einen, auch Frauen. So Kleinwagen wie bei uns in Deutschland sieht man sehr selten und einen Combi habe ich hier noch nie gesehen. So etwas verkauft die nordamerikanische Autoindustrie glaub gar nicht.
Frank fuhr mich dann „nach Hause“ zu Jutta, es war schon dunkel und der Gedanke gleich hoch in den Wald zu gehen, wo sich meine kleine Gasthütte befand, betrübte mich etwas. Zuvor ging ich jedoch nochmal zu Jutta ins Haus, um ihr von meinem Erlebnis zu berichten. Ich duschte dann noch schnell und machte mich danach, ausgestattet mit Kopflampe und Messer für den Ernstfall, nach oben in mein beschauliches Schlafgemach. Der Weg nach oben ist zwar nicht lang aber dafür recht steil und treibt den Puls kurzweilig nach oben.
Drinnen angekommen, war ich doch dann ziemlich froh, nach dem langen Tag endlich ins Bett gehen zu können. Dieses Gefühl im Wald bei all den Tieren zu übernachten, war schon sehr erhaben.
Am nächsten Morgen weckte mich das grässliche Geheul der Kojoten gegen 05.00Uhr. Ich konnte zum Glück noch einmal einschlafen, aber gegen halb 7 war dann die Nacht auch vorbei. Ich machte noch mein Morgenyoga bevor ich dann runter zu Jutta ins Haus ging, um mit ihr zu frühstücken. Sie bereitete einen köstlichen Haferbrei (Porridge) zu und dazu einen leckeren Kaffee. Was will man mehr um kraftvoll in den Tag zu starten. Die brauchte ich auch, denn danach war Holzhacken angesagt. Unsere Vereinbarung war nämlich, dass ich ihr im Haushalt helfen würde und im Gegenzug, nicht den vollen Betrag für Essen und Unterkunft bezahlen müsste. Mit einer ähnlichen Vereinbarung hatte ich zwar kürzlich in Kelowna nicht so eine gute Erfahrung gemacht, aber bei Jutta war alles anders. Sie erledigte fast alles selber und wollte gar nicht, dass man ihr hilft, so hatte ich den Eindruck.
Währenddessen ich mich mit Axt und Spaltgerät austobte, bereitete Jutta schon das Mittagessen vor. Nach dem Mittagessen führte sie mich dann ein wenig im näheren Umland von Edgewood herum. Wir fuhren mit dem Auto zu verschiedenen Spots. Sie zeigte mir einen Wasserfall, wir wanderten am Ufer des Arrow Lakes entlang, bis wir dann schließlich an dem von ihr bezeichneten „Geheimtipp“ ankamen. Einem kleinen Ausläufer des Arrow Lakes mit einem wunderschönen Sandstrand. Diesen nutzen Jutta und Dale immer als Ausgangspunkt für ihre Kanutouren mit den Gästen des Bed & Breakfast.
Ja und so ging dann auch langsam der zweite Tag an diesem Thangsgiving Wochenende zu Ende. Am nächsten Tag hieß es nach dem Mittagessen, dann auch schon wieder Abschied nehmen, denn schließlich musste ich bis zum nächsten Tag knapp 700km bis nach Calgary absolvieren. Diese Strecke wollte ich nicht auf einmal fahren, da solche Entfernungen in Kanada etwas länger dauern als in Deutschland. Das Autobahnnetz ist nicht so gut ausgebaut wie daheim, von daher muss man längere Strecken Landstraße fahren und dann gibt es immer noch die Geschwindigkeitsbegrenzungen, welche nur auf Highways über 90km/h hinaus gehen. Ich hatte mir ungefähr die Hälfte der Strecke als Ziel gesetzt.
Nun gut, Jutta und ich tranken dann noch einen Kaffee zusammen, bevor es dann hieß, Abschied nehmen. Dieser viel uns aber nicht schwer, da wir beide wussten, dass ich wieder kommen würde. Ich fragte sie nämlich, ob ich nach meinem 3 wöchigen Road Trip, noch einmal wiederkommen dürfe. Denn ich musste ja noch ca. 2,5 Wochen überbrücken, bevor ich dann meine Winterarbeit in Lake Louise antreten konnte.
Dann setzte ich meinen Weg weiter fort Richtung Calgary.